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Kinderwunsch und Kostenerstattung durch die private Krankenversicherung


BGH, Urteil vom 15.09.2010, Az. IV ZR 187/07

In diesem Verfahren vor dem Bundegerichtshof ging es um die Erstattung von Kosten für reproduktionsmedizinische Behandlungen durch die private Krankenversicherung des Klägers. Genauer gesagt um die Kostenübernahme von Inseminationsbehandlung und In-vitro-Fertilisation mit intracytoplasmatischen Spermien-Injektionen.

 

Das Ehepaar wünschte sich ein Kind. Die Eheleute waren diesbezüglich gezwungen gewesen, medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen, um sich diesen Kinderwunsch zu erfüllen. Leider brachte auch die medizinische Hilfe nicht den gewünschten Erfolg. Die beklagte Krankenversicherung erstattete zu allem Überfluss zudem lediglich einen geringen Teil der Behandlungskosten. Sie bestritt eine behandlungbedürftige Erkrankung des Klägers. Auch sei nicht klar, inwieweit Fertilitätsstörungen bei der Ehefrau des Klägers vorlägen.

 

Der Kläger zog vor Gericht. Das Oberlandesgericht München hatte in der Berufungsinstanz noch angenommen, dass der Kläger den ihm obliegenden Beweis einer Erkrankung nicht erbracht habe. Dem widersprach der Bundesgerichtshof und gab dem Kläger Recht.

 

Doch was bedeutet der Begriff der Krankheit im Sinne der Versicherungsbedingungen?

 

Dazu der BGH (Zitat):

„Krankheit im Sinne der Bedingungen ist ein objektiv nach ärztlichem Urteil bestehender anormaler, regelwidriger Körper – oder Geisteszustand. Dazu zählt auch eine auf körperlichen Ursachen beruhen Unfähigkeit, auf natürlichem Wege Kinder zu zeugen (BGHZ aaO). Eine solche Krankheit liegt beim Kläger vor. ...“

 

Damit verlangt der Bundesgerichtshof eine biologische Beeinträchtigungder Fortpflanzungsfähigkeit.

Zur Frage der Beweislast für die Zeugungsunfähigkeit führt der IV. Senat des Bundesgerichtshof weiter aus (Zitat):

 

„Danach hat der Kläger seiner Beweislast für das Vorliegen einer bedingungsgemäßen Krankheit genügt. Er hat eine von der Norm deutlich abweichende, die Zeugungsfähigkeit beeinträchtigende Zusammensetzung seines Spermas bewiesen, mithin einen regelwidrigen körperlichen Zustand, der seine Zeugungsfähigkeit einschränkt. Er muss nicht darüber hinausgehend darlegen und beweisen, welche Ursachen dieser Befund zurückzuführen ist und dass es sich bei diesen Ursachen ihrerseits um bedingungsgemäße Krankheiten handelt. Deshalb ist es auch im Ansatz verfehlt, dass das Berufungsgericht geprüft hat, ob die erstellten Spermiogramme angesichts ihrer hohen Varianz ausreichend sichere Schlüsse auf mögliche Ursachen wie Stress, Jahreszeit, Alkohol oder Nikotinabusus, Aspirineinnahme usw. zuließen. ...“

 

Handelt es sich bei der Inseminationsbehandlung bzw. einer In-vitro-Fertilisation mit intracytoplasmatischen Spermien-Injektionen aber überhaupt um Heilbehandlungsmaßnahmen?

 

Die private Krankenversicherung ist lediglich dazu verpflichtet, Kosten für eine medizinisch notwendige Heilbehandlung zu erstatten.

 

Man könnte sich fragen, ob es sich bei der künstlichen Befruchtung überhaupt um eine Heilbehandlungsmaßnahme handelt,schließlich wird durch diese die Ursache der Kinderlosigkeit nicht beseitigt. Aber kann man dies verlangen?

 

Der Bundesgerichtshof geht ganz klar von einer Heilbehandlungsmaßname aus. BGH (Zitat): 

 

„Die in Rede stehenden Behandlungen waren Heilbehandlungsmaßnahmen im Sinne der Versicherungsbedingungen. Wird eine In-vitro-Fertilisation in Kombination mit einer intracytoplasmatischen Spermien-Injektionen vorgenommen, um die organisch bedingte Unfruchtbarkeit eines Mannes überwinden, so ist diese Maßnahmen eine insgesamt auf dieses Krankheitsbild abgestimmte Heilbehandlung, die darauf gerichtet ist, die Unfruchtbarkeit des Mannes zu lindern. Dabei wird die Linderung mittels der Ersetzung der gestörten Körperfunktion durch medizinische Maßnahmen erzielt (BGHZ 158, 166,170 f; 164,122,125 f.). Für die hier zunächst vorgenommenen sechs Inseminationsbehandlungen gilt nichts anderes. Auch hier ist für die Frage der Kostenerstattung nicht zwischen Behandlungschritten zu unterscheiden, die ausschließlich am Körper des Mannes oder der Frau vorgenommen werden. Die Beklagte durfte deshalb die Kostenerstattung nicht auf die Spermaaufbereitung im Rahmen der Inseminationsbehandlungen beschränken. ...“

 

Da jedenfalls über die medizinische Notwendigkeit der Heilbehandlungsmaßnahme in der Berufungsinstanz nicht mehr gestritten wurde, konnte der 4. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in der Sache entscheiden. Er sprach dem Kläger einen Anspruch auf Kostenerstattung gegen seine Krankenversicherung für die Inseminationsbehandlungen und die In-vitro-Fertilisationen mit intracytoplasmatischen Spermien-Injektionen zu.

Hintergrund


Die in diesem Fall maßgebliche Bedingung zur Bestimmung des Versicherungsfalls lautete (Zitat BGH):

 

„Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Der Versicherungsfall beginnt mit der Heilbehandlung; er endet, wenn nach medizinischen Befund Behandlungsbedürftigkeit nicht mehr besteht. ...“

 

Rechtsanwalt Jan-Martin Weßels, Hamburg

(Quelle der Entscheidung. Die Entscheidung ist erhältlich unter www.juris.bundesgerichtshof.de)